14.07.14 „Will keine lahme Ente sein“

Gerhard Bruschke Bild: Christian Klespe
Dr. Boris Cramer

Nach der ersten Sitzung des Rates hat der Soester Anzeiger mit Gerhard Bruschke und Dr. Boris Cramer ein Interview durchgeführt. Die wesentlichen Antworten daraus sind inzwischen als Artikel in der Zeitung erschienen. Nachstehend das Interview im Wortlaut:

In der Gemeinde Möhnesee begann die Ratsperiode 2014 bis 2020 sogleich mit einem Eklat. Weil Bürgermeister, CDU, BG und Grüne den Haupt- und Finanzausschuss mit einer Minimalbesetzung von sechs Mitgliedern einschrumpften, hat die SPD-Fraktion, der sich Dr. Boris Cramer von der FDP angeschlossen hat, bereits Beschwerde bei der Kommunalaufsicht beim Kreis Soest eingereicht, überlegt zudem, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Anzeiger-Redakteur Michael Dülberg stellte in diesem Zusammenhang Fragen zu Zielen, Zwecken und Zusammenarbeit von SPD und FDP an Bruschke und Cramer.

Anzeiger-Frage: Dr. Cramer, warum sind sie Mitglied in der SPD-Fraktion geworden?

Dr. Cramer: Auf Grund des Wahlergebnisses konnte die FDP keine Fraktion mehr im Rat stellen. Der Fraktionsstatus ist aber für eine Mitarbeit in Ausschüssen unbedingt notwendig. In den Ausschüssen werden die wesentlichen Diskussionen geführt, die richtungsweisend für die Ratsentscheidungen sind. Um zu vermeiden, dass ich als Ratsvertreter der FDP zur sog. „lame duck“ werde, habe ich mit andere Parteien, soweit eine Mehrheitsbeschaffung möglich war, sondiert. Leider wurde beispielsweise dies durch die CDU abgelehnt, insbesondere das Überlassen eines Postens in einem Ausschuss.

Anzeiger-Frage: Welche Ergebnisse und Vorteile erwarten Sie sich aus der Zusammenarbeit in der SPD-Fraktion?

Dr. Cramer: Bereits bei den Diskussionen mit Gerhard Bruschke und der SPD Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode haben Herr Klatte und ich gemerkt, dass wir in den Fragen, die die nächsten sechs Jahre zu lösen sind sehr nah beieinander stehen und die Ziele weitestgehend deckungsgleich, und nur unterschiedlich gewichtet sind. Ich gehe davon aus, dass daher insbesondere die Ziele die wir im Wahlkampf gesetzt haben hier verwirklicht werden können. D.h. bessere Überplanung und Entwicklung auch der nicht von der Regionale betroffenen Ortsteile, Verbesserung des Betreuungsangebotes der Grundschule und weitere Konsolidierung des Haushaltes.

Gerhard Bruschke: Wir sind uns sicher, dass wir mit Herrn Cramer ein wertvolles Mitglied für die Fraktion gewonnen haben, dessen unbestrittener Sachverstand für die weitere Entwicklung der Gemeinde benötigt wird. Durch den Zusammenschluss ist zudem sichergestellt, dass der Informationsfluss für alle gewählten Ratsvertreter gesichert ist und damit auch die Arbeit im Rat und in den Ausschüssen sachlich fundiert erfolgen kann. Wir werden in der neuen Zusammensetzung verstärkt an Konzepten für die Gemeinde arbeiten und entsprechende Vorschläge unterbreiten. Unser Ziel ist es, das Lebensumfeld in der Gemeinde kontinuierlich zu verbessern ohne die finanzielle Belastung für die Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.

Anzeiger-Frage: CDU-Fraktionschef Jürgen Weigt wertet den FDP-Schritt hin zur SPD als „Missachtung des Wählerwillens“ der 4,7 Prozent Möhneseer FDP-Wähler – was entgegnen Sie ihm? Wie wollen Sie auf lokaler Ebene am Möhneseee erreichen, dass die FDP in der Gunst der Wähler wieder besser abschneidet?

Dr. Cramer: Davon, dass man Unwahrheiten wiederholt, werden diese nicht wahrer. Dass muss auch Herr Weigt erkennen. Ich erinnere nur daran, dass die CDU-Fraktion vor fünf Jahren, das heißt zu Beginn der letzten Ratsperiode selber mit der SPD gearbeitet und gemeinsame Fraktionssitzungen durchgeführt hat und sich entsprechend abgestimmt hat. Insofern verstehe ich den Einwand nicht, es sei denn Herr Weigt meint, dass er und die CDU Fraktion im letzten Rat auch den Wählerwillen, mindestens 2,5 Jahre, solange lief die Zusammenarbeit, nicht respektiert.. Wir haben in der FDP nie eine Zusammenarbeit mit der SPD abgelehnt, hierfür gibt es auch keinen Grund. Im Gegensatz zu anderen Parteien im Möhneseer Rat hält sich der Fraktionsvorsitzende der SPD an getroffene Absprachen.

Natürlich haben wir im Ergebnis bei der Wahl verloren. Allerdings sehe ich das Problem nicht unbedingt örtlich, da sich leider, dass zieht sich auch durch die Wahlergebnisse der letzten Jahre, dass das Wahlergebnis der FDP in Möhnesee den Bundesdurchschnitt abbildet. Die FDP hat in Möhnesee wesentlich in den letzten zehn Jahren an Verbesserungen für die Bürger und die Infrastruktur mitgewirkt. Hier sind insbesondere die Einführung des Friedwaldes und die Errichtung des Uferrandweges zu nennen (übrigens war die CDU gegen diesen Randweg rund um den See). Herr Klatte hat sich wesentlich für Regionale Projekte und die Entwicklung des Ortskernes eingesetzt. Die Zweizügigkeit des Realschulzweiges der Möhneseeschule ist im Wesentlichen auf unsere Antragstellung zurückzuführen. Wir haben am Möhnesee nie Klientelpolitik betrieben, hierfür bin auch nicht zu haben. Wir haben hier immer die Politik gemacht die für die Gemeindeentwicklung notwendig war. Im Gegensatz zu anderen, die nach wie vor an Überkommenen festhalten wollen und dadurch den Gemeindehaushalt erheblich belasten, sprich Ortsvorsteher. Wir werden versuchen, durch die Zusammenarbeit mir der SPD den Bürgern weiter deutlich zu machen, wie wichtig die FDP auch für die Gemeinde Möhnesee und ihre Bürger ist.

Anzeiger-Frage: Der Rat hat sich gegen die Stimmen der SPD/FDP-Fraktion für einen kleinen Haupt- und Finanzausschuss ausgesprochen. Warum glauben Sie, haben CDU, BG und Grüne sich für diesen mit drei CDU-Mitgliedern und je einem Mitglied von BG, SPD und Grünen entschieden und werden Sie tatsächlich auf dem Rechtsweg gegen den kleinen Hauptausschuss vorgehen?

Gerhard Bruschke: Die Verkleinerung des Haupt- und Finanzausschusses ist ja nicht von sachlichen Erwägungen getragen worden. Hier muss man wissen, dass der erste Vorschlag der CDU einen größeren Ausschuss vorsah, durch den dann die SPD gezielt benachteiligt werden sollte. Erst durch den Beiritt von Herrn Cramer ist es möglich geworden, diese Absicht zu vereiteln. Das zeigt sich auch an den anderen Ausschüssen, die jetzt mit 13 Mitgliedern besetzt sind. Auch diese Größe ist erst auf Druck der SPD beschlossen worden, um das durch die Vergrößerung der SPD-Fraktion erforderliche Losverfahren zwischen der Bürgergemeinschaft und der SPD zu verhindern. Da der Bürgermeister die rechtswidrige Bestimmung der Ausschussgröße und die konfuse Durchführung der Wahl der Ausschussmitglieder nicht beanstandet hat, haben wir uns bereits jetzt an die Kommunalaufsicht als geringstes Mittel gewandt. Die Einreichung einer formellen Klage behalten wir uns vor.

Anzeiger-Frage: Welche Ziele will ihre gemeinsame Fraktion in den kommenden sechs Jahren erreichen? Wohin soll es gehen? Welche Visionen entwickeln Sie für die Gemeinde Möhnesee? 

Gerhard Bruschke: Die SPD hat bereits in der vorigen Periode Hinweise zur Weiterentwicklung der Gemeinde gegeben, die allerdings von der Mehrheit des Rates nicht zur Diskussion angenommen worden sind. Noch heute wird von der CDU kolportiert, wir hätten einen Antrag auf Errichtung eines großen Bades im Seepark gestellt. Das ist einfach Unsinn; wir haben Denkanstöße gegeben und hätten uns gewünscht, dass diese auch von anderen Fraktion und dem Bürgermeister gekommen wären. Wie wichtig das gewesen wäre, zeigt jetzt die anstehende Bewerbung um die „Leader“-Förderung, wo die Gemeinde ohne Konzepte dasteht und wohl nur schwerlich erfolgreich sein wird.

Dr. Cramer: Wesentlicher Punkt in den kommenden sechs Jahren ist meiner Meinung nach die Weiterentwicklung der Gemeinde in infrastruktureller, touristischer und planerischer Hinsicht. Was kommt nach der Regionale? Welches touristische Ziel und insbesondere welche Zielgruppe haben wir in der Gemeinde? Wie können wir den Schulstandort Möhnesee, insbesondere auch in den Ortsteilen Völlinghausen und Günne stärken? Das sind wesentliche Fragen zu denen wir teilweise Antworten und Ideen entwickelt haben, die wir in den Rat und die Ausschüsse einbringen werden.