Der Haupt- und Finanzausschuss einer Gemeinde ist nach dem Gemeinderat das wichtigste Gremium einer Gemeinde und hat weitreichende Befugnisse. So kann er z.B. über Auftragsvergaben bis zu 150.000 € und die Führung von Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert zwischen 20.000 € und 150.000 € entscheiden. Hinzu kommt eine Vielzahl von sonstigen Rechten, die damit Entscheidungen des Rates entzogen werden.
Der Ausschuss sollte grundsätzlich eine Größe haben, die eine vernünftige Diskussion und Beratung möglich machen. Das setzt eine überschaubare Zahl an Mitglieder voraus. Darüber hinaus sollte der Ausschuss auch die Mehrheitsverhältnisse im Rat widerspiegeln. Beides ist in der Gemeinde Möhnesee nach derzeitigem Stand nicht der Fall.
So ist der Haupt- und Finanzausschuss mit sechs Ratsmitgliedern ausgesprochen unterbesetzt. Diese Mitgliederzahl führt zudem zu einem Verstoß gegen das Spiegelbildlichkeitsprinzip, da die CDU mit drei Mitgliedern überproportional und BG und SPD mit jeweils einem Mitglied unterproportional vertreten sind. Die SPD-Fraktion hat daher zur letzten Ratssitzung folgenden Antrag gestellt:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
hiermit stellt die SPD-Fraktion für die kommende Ratssitzung den Antrag,
1.den in der Sitzung vom 25.06.2014 gewählten Haupt- und Finanzausschuss aufzulösen,
2.einen neuen Haupt- und Finanzausschuss zu bilden und die Größe dieses Ausschusses auf 9 Ratsmitglieder und den Bürgermeister festzulegen sowie
3.die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses neu zu wählen.
Wir sind nach wie vor und insbesondere unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingeholten Rechtsauskünfte der Auffassung, dass der bisher installierte Haupt- und Finanzausschuss weder den Mehrheitsverhältnissen im Rat entspricht noch die aufgrund seiner besonderen Funktion erforderliche Ausschussstärke erreicht.
Gem. § 57 Abs. 1 GO kann der Rat einer Gemeinde Ausschüsse bilden. Dabei besteht bei der Festlegung der Ausschussgröße ein gewisser Spielraum (§ 58 Abs. 1 GO). Auch für den Haupt- und Finanzausschuss ist eine feste Mitgliederanzahl nicht vorgeschrieben. Dieser Spielraum wird jedoch durch das Spiegelbildlichkeitsprinzip und das Mehrheitsprinzip begrenzt. Im Sinne optimaler praktischer Konkordanz darf jedes der beiden konkurrierenden Gebote durch das andere nur soweit eingeschränkt werden, wie es zu dessen Verwirklichung im konkreten Fall erforderlich ist (BVerwG, Urteil v. 09.12.2009, Az. 8 C 17/08). D.h., einerseits darf bzw. sollte ein Hauptausschuss zahlenmäßig kleiner sein als der gesamte Rat, um seine Aufgabe der Vorbereitung von Ratsentscheidungen und der Abstimmung der Arbeiten aller Ausschüsse aufeinander effektiv erfüllen zu können. Andererseits darf der Ausschuss aber auch nicht so klein sein, dass die Kräfteverhältnisse der im Rat unmittelbar demokratisch legitimiert vertretenen Parteien im Ausschuss verzerrt abgebildet werden. Eine identische Abbildung der Ratsverhältnisse auch im Ausschuss ist dabei in der Regel nicht möglich und auch rechtlich nicht erforderlich. Es gilt, die „passende“ Ausschussgröße vorab zu ermitteln.
In der Rechtsprechung wird angeregt, zur Wahrung des Mehrheitsprinzips im Zweifel eine moderate Erhöhung der Anzahl der Ausschussmitglieder im Interesse des Spiegelbildlichkeitsprinzips in Erwägung zu ziehen ist (BVerwG, Urteil v. 09.12.2009, Az. 8 C 17/08, als durch Verringerung der Anzahl der Ausschussmitglieder die Funktionsfähigkeit des Ausschusses zu Lasten des Spiegelbildlichkeitsprinzips herzustellen. Nach der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte sollte ein Haupt- und Finanzausschuss zumindest nicht weniger als ein Viertel der Zahl der Ratsmitglieder habe. Dieses Viertel wird durch die jetzige Ausschussgröße nicht erreicht.
Ich weise darauf hin, dass sich die von uns eingeholte Rechtsauskunft durchaus auch mit den Äußerungen der Kommunalaufsicht als auch mit der durch die Verwaltung telefonisch eingeholten Rechtsauskunft des Städte- und Gemeindebundes deckt. Herr Gockel hat – obwohl er sich ja eigentlich für nicht zuständig hielt – durchaus auf die Diskrepanz bezüglich der Ausschussgrößen hingewiesen. Der Städte- und Gemeindebund hat gegenüber Herrn Wagner ebenfalls seine Bedenken hinsichtlich der mit Mehrheit durchgesetzten Größe des Haupt- und Finanzausschusses geäußert.
Wir halten es für richtig, die Frage der Ausschussgröße im Wege einer Organklage rechtlich klären zu lassen. Da durch dieses Verfahren jedoch nicht unerhebliche Kosten für die Gemeinde entstehen, wollen wir diesen Schritt erst nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten für eine gütliche Einigung gehen.
Der Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Dafür wurden von seitens der BG und der CDU Praktikabilitätsgründe angeführt. Insider wissen jedoch, dass die Kopfstärke des Ausschusses ausschließlich von politischen Erwägungen bestimmt wurde. So hatten CDU und BG in ihrem ersten Vorschlag für die Bildung des Ausschusses immerhin eine Mitgliederzahl von 8 Ratsvertretern vorgeschlagen. Damals führte das dazu, dass BG und CDU jeweils ein weiteres Mitglied benennen konnten, die SPD in der alten Stärke jedoch bei einem Sitz verblieben wäre. Durch den Beitritt des FDP-Vertreters zur SPD-Fraktion hatte sich diese Absicht jedoch zerschlagen. Nunmehr hätte ein Losverfahren zwischen BG und SPD um den zusätzliche Platz erfolgen müssen. Das wollte allerdings keiner, so dass man sich schnell auf eine Kopfzahl von sechs Ratsvertretern zurückzog.
Der Vorschlag der SPD benachteiligt im Übrigen keine Fraktion. Danach hätte die CDU vier und BG und SPD jeweils zwei Sitze im Haupt- und Finanzausschuss. Bündnis90/Die Grünen blieben entsprechend ihrer Stärke bei einem Mitglied.