Der von Herrn Tadday an den Bürgermeister der Gemeinde Möhnesee, die Fraktionen im Rat der Gemeinde Möhnesee und den Soester Anzeiger – Redaktion Möhnesee – gerichtete offene Brief wird nachstehend zur Kenntnis gegeben.
10. Februar 2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Diskussion um das Für und Wider des Haus des Gastes (HdG) wird in Körbecke sehr emotional geführt. Und da meldet sich der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat zu Wort und empfiehlt in einer Anzeige in der letzten Ausgabe der „TollPost“ mehr Sachlichkeit. Sachlich bedeutet laut Duden „zur Sache gehörend“. Es gehört dazu, dass man sich u.a. objektiv, verstandesbetont und unvoreingenommen zur Sache äußert. Was folgt sind dagegen plakativ vorgetragene Empfehlungen oder Behauptungen. Die aber reichen nicht aus. Sie geben keine Antworten auf die alle bewegenden Fragen. Es soll nicht allgemein, sondern ganz konkret über die Zukunft von Körbecke entschieden werden.
Hier einige Beispiele aus der CDU-Anzeige:
Zitat: “Die neuen Einzelhandelsmärkte sollten möglichst zentral in der Ortsmitte angesiedelt werden, um vorhandene Geschäfte zu stärken und leere Ladenlokale zu vermeiden.“
Es werden allgemein gültige Empfehlungen der Landesplanung und der IHK übernommen, ohne sie zu hinterfragen. Bevor man sich diese Empfehlungen zu Eigen macht, sollte man sich u.a. die Frage stellen, wie sich die Nähe der Discounter auf die vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte auswirkt:
Bei dem neuen erweiterten Angebot von Aldi z.B. bei den Backwaren wird jedermann sehr schnell bewusst, dass die hiesigen Bäcker und auch das Backdepot bei der Vielzahl der angebotenen Brote, Brötchen und sonstigen Backwaren nicht mithalten können. Das gilt erst recht beim Preis, der teilweise um bis zu 50 % günstiger ist.
Und bei Rossmann, dessen Sortiment geschätzt annähernd 50 % des Sortiments vom Griffelkasten ausmacht, ist die Sache noch dramatischer. Dieser Discounter ist so preisgünstig, dass – wie bekannt – inzwischen selbst dm-Filialen dort einkaufen, um die Artikel im eigenen Laden weiter zu verkaufen. Und das soll der Griffelkasten verkraften können?
Die beiden Beispiele zeigen, dass – entgegen der CDU – Empfehlung- in Körbecke die große Gefahr besteht, dass der hiesige Einzelhandel durch die Ansiedlung der Discounter im Ortskern wahrscheinlich eher geschwächt, als gestärkt wird. Auch einige Einzelhändler haben inzwischen eingesehen, dass sie weder beim vielfältigen Angebot, noch bei den niedrigen Preisen der Discounter auf Dauer mithalten können. Der Kunde wird erfahrungsgemäß immer nach dem günstigsten Angebot greifen. Und als Folge dieses logischen Käuferverhaltens besteht die Gefahr, mittelfristig leere Ladenlokale im Ortskern vorzufinden. Das aber will doch wohl niemand!
Im Übrigen hat Aldi selber in der Informationsveranstaltung in der Schützenhalle dargestellt, dass Ihre Bau- und Parkplatz-Planungen mit der sogenannten „60 Meter- Regel“ erfolgen: Der Regel- Kunde möchte sich nicht weiter als maximal 60 m vom Auto bei Einkäufen weg bewegen! Was also treibt die CDU und die übrigen Abriss-Befürworter an? Warum handeln sie gegen jede Logik? Die Discounter dürfen, weil existenzbedrohende Konkurrenz für den hiesigen Einzelhandel, nicht in den Ortskern.
Und weil die „geschäftliche“ Situation im Ort nicht einfach ist, finde ich es Im Übrigen schon sonderbar, dass man sich allgemeine Empfehlungen zu eigen macht und die auf Körbecke bezogenen und für teures Geld erkauften gutachterlichen Aussagen im seit 2013 vorliegendem Städtebaulichen Entwicklungskonzept der Stadtplaner Pesch und Partner vollständig ignoriert. Sie passen offenbar nicht ins Konzept. Es bleibt daher die Frage offen, was will die CDU tun, um dieses oben beschriebene düstere Szenario zu verhindern?
Zitat: „Finanziell ist die große Lösung für die Gemeinde sogar günstiger als der Erhalt des HdG. Hohe Renovierungs- und Unterhaltskosten belasten die Gemeinde beim Erhalt des HdG mit rund 45.000 Euro pro Jahr zusätzlich.“
Diese Berechnung müsste zunächst für jedermann verständlich erklärt werden. Hier wird doch suggeriert, dass jedes Jahr trotz Renovierung und Sanierung (kleine Lösung) beim HdG Renovierungs- und Unterhaltskosten in hohem Maße zusätzlich anfallen. Das klang in der Info-Veranstaltung anders. Im Übrigen: Fallen bei der Neuerrichtung von „Ersatzunterkünften“ für Vereine etc. keine Baukosten an und gibt es den Unterhalt danach zum Nulltarif?
Zitat: „Es sollte klar sein, dass im Möhneseer Rathaus Leute sitzen, die gut und genau rechnen können.“
Das ist zweifellos richtig. Aber auch diese Leute haben ihre Vorgaben. Und hier gilt die Binsenweisheit: „nur wer sehr gut rechnen kann, kann auch gut schönrechnen“.
Zitat: „Wenn weltweit tätige Unternehmen wie Aldi und Rossmann Millionenbeträge in moderne Läden in Körbecke investieren, wissen sie vermutlich was sie da tun.“
Das ist richtig, aber nur eine Seite der Medaille. Ich denke, dass die Discounter darauf bauen, noch einige Kunden anzulocken. Dies ist aber wegen der geographischen Lage von Körbecke beinahe aussichtslos. Die Bürger von Günne und Völlinghausen werden weiterhin zu den wesentlich näher liegenden Einkaufsstätten in die Nachbarorte fahren. Vielleicht ist es möglich, einige Körbecker, die im Moment nach Soest zu Kaufland fahren, zurück zu gewinnen. Das allein wird aber nicht reichen. Und zum Thema „sie wissen, was sie tun“ muss auch erwähnt werden, dass sich jeder der Discounter ohne Skrupel vom Standort Körbecke zurückzieht, wenn das Geschäft nicht so läuft wie erwartet. Überspitzt formuliert: Erst die Vielfalt des Einzelhandels zerstören und das Chaos den Bürgerinnen und Bürgern am Ort überlassen.
Sie mögen an den wenigen Beispielen erkennen, dass es zur Lösung der anstehenden Fragen etwas mehr bedarf, als sich hinter Empfehlungen zu verstecken. Es geht schließlich um die Zukunft unseres Dorfes. Jeder Körbecker weiß etwas oder will etwas erfahren haben, keiner ist aber lückenlos informiert. Das erzeugt Wut und trägt auch bei zu der abscheulichen, nicht zu entschuldigenden Aktion. Es ist schon traurig, aber da waren die zahlreichen anonymen Anrufe, die ich wegen meines Engagements erhalte habe, noch harmlos. Dennoch, wir sollten bei aller Rivalität der beiden Lager schleunigst alles tun, damit solche abscheulichen Sachen nicht wieder vorkommen und wir in Zukunft zwar in der Sache hart, aber in der Diskussion fair miteinander umgehen können.
Ein Ratsbürgerentscheid wäre ein sehr guter Weg, wieder annähernd Ruhe in die Bürgerschaft zu bringen. Ich finde es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger über den Erhalt oder Abriss des HdG entscheiden zu lassen, denn nur das HdG ist der Stein des Anstoßes. Die meiner Meinung nach richtige, für jedermann verständliche und einfach zu beantwortende Ja-Nein-Frage muss lauten:
Sind Sie für den Abriss des HdG zu Gunsten eines Discounters?
Allein diese im Wege eines Bürgerentscheids zu beantwortende allgemein verständliche und den Kern des Streits treffende Frage schafft Klarheit in der Sache und besänftigt die aufgebrachten Gemüter.
Der mir heute bekannt gewordene, von der Fraktion Bündnis 90 / die Grünen zur Verabschiedung in der Ratssitzung am 16. Februar 2017 vorgelegte Vorschlag für einen Ratsbürgerentscheid ist – ich muss es leider so deutlich sagen – in Sachen HdG für mich ein Skandal. Hier sollen die Bürgerinnen und Bürger nach meinem Verständnis bewusst getäuscht und im Sinne der Abriss-Befürworter manipuliert werden. Es wird erwartet, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Wahlkabine einen äußerst geschickt abgefassten, für den einfachen Menschen aber unverständlichen Text zum (schon mehrfach ohne Bürgerentscheid überarbeiteten) Dorfentwicklungskonzept lesen und verstehen sollen – und das womöglich ohne die Lesebrille zur Hand zu haben. Aber das Kreuzchen, das kann man getrost bei „ja“ machen, es geht schließlich nur um das Dorfentwicklungskonzept. Dass mit einem „ja“ zu diesem Dorfentwicklungskonzept gleichzeitig für den Abriss des HdG votiert wird, dürfte den meisten bei der Stimmabgabe nicht bewusst sein. Der Schreck kommt erst, wenn es zu spät ist. Und genau das ist wohl beabsichtigt, auf ein solches Verhalten wird anscheinend spekuliert. Das ist perfide! Das schadet der Politik insgesamt, ärgert die Leute und schafft Politikverdrossenheit. Ich kann nur hoffen, dass auch die übrigen Ratsfraktionen dieses miese Spiel durchschauen, und den Vorschlag der Grünen nicht unterstützen, sondern zu den demokratischen Spielregeln zurückkehren.
Es wäre wünschenswert, wenn der Rat die Entscheidung über Erhalt oder Abriss des HdG den Bürgerinnen und Bürgern überlassen würde. Wenn dies in einer offenen und fairen Art geschieht, möglichst nicht im Zusammenhang mit Wahlen, werden sicherlich alle mit der Entscheidung – egal wie sie ausfällt – leben können.
Ich selbst trete ein für ein Bürgervotum zum HdG-Thema mit einer einfachen, für jedermann verständlichen Frage, damit der Bürger weiß, welchen Inhalt das von ihm unterstützte oder auch abgelehnte Begehren hat. Das Ergebnis der Ratssitzung am 16. Februar 2017 wird für uns und mögliche weiteren Aktivitäten mitentscheidend sein.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Tadday