17.02.17: Verschleuderung des Gemeindevermögens

Fraktionsvorsitzender Gerhard Bruschke

Es war keine Sternstunde der Kommunalpolitik. Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom 16.02.2017 gegen die Stimmen der SPD und drei weiterer Ratsvertreter beschlossen, einen millionenschweren Ersatzbau unter anderem für die im Haus des Gastes befindlichen Nutzungen vorzunehmen. Die Absicht ist offensichtlich – auch wenn man einen Tagesordnungspunkt später einen Ratsbürgerentscheid zur Frage, wie es mit dem dann leergezogenen Gästehaus weitergehen soll, gestartet hat.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat in einem längeren Statement in der Ratssitzung die wesentlichen Fakten vorgetragen. Seine Ausführungen werden nachstehend im Wortlaut wiedergegeben:

 

Im Vorfeld dieser Diskussion wurde von verschiedenen Seiten suggeriert, die Entscheidung insbesondere zum Bau eines zusätzlichen Gebäudes zwischen Grundschule und Turnhalle sei unabhängig von der Entscheidung zum Bestand des Haus des Gastes zu sehen. Dies ist allerdings nicht so. Vielmehr dient eine positive Entscheidung – wie ja im Hauptausschuss bereits von CDU/BG und Grünen vehement gefordert – genau dem Zweck, dass Haus des Gastes von öffentlichen Nutzungen leer zu ziehen um dann argumentieren zu können: Das Gebäude werde ja nicht mehr benötigt.

Diese Argumentation führt dann auch erst dazu, dass man § 90 Abs. 3 GO umgehen kann, da man nur ein nicht mehr benötigtes Gebäude, das auch anderweitig nicht verwandt werden kann, als wertlos einstufen kann. Allerdings wird dabei übersehen, dass das HdG einen erheblichen Sachwert darstellt, der bei einem Verkauf des Geländes an die Firma ALDI vernichtet wird. Ich weise hier nur darauf hin, dass allein das Grundstück mit dem aufstehenden Gebäude einen Buchwert von rund 2, 2 Millionen Euro aufweist. Wie hoch der Verkehrswert ist, wurde bisher überhaupt nicht ermittelt; er dürfte aber bereits aufgrund des Grundstückspreises deutlich höher liegen.

Übrigens spielt bei dieser Betrachtung der im NKF-Verfahren gebildete Sonderposten keine Rolle.

Für unsere heutigen Zuhörer möchte ich nur kurz den Kern des § 90 Abs. 3 GO umreißen. Danach ist es der Kommune verboten, gemeindliches Vermögen unter ihrem realen Wert zu veräußern. Ich habe über diesen Punkt lange mit unserem Kämmerer diskutiert – wir haben leider keine übereinstimmende Meinung erzielen können. Diese Frage wird daher aller Voraussicht nach noch die Kommunalaufsicht und vielleicht sogar die Verwaltungsgerichte beschäftigen.

Unabhängig von der vorstehenden Überlegung – Leerziehen des Haus des Gastes – ist aber auch der Bau eines gesonderten Gebäudes für die öffentlichen Nutzungen, die derzeit im Haus des Gastes stattfinden auch aus finanzpolitischer Sicht nicht darstellbar.

Die Gemeinde hat dankenswerter Weise eine Übersicht über die voraussichtlichen Investitionen bis zum Jahr 2022 (also für einen 5-Jahreszeitraum) erstellt. Danach fallen Investitionen in Höhe von rund 31 Millionen Euro für die Gemeinde an. Diese Zahlen basieren natürlich im Moment auf den Wünschen der Ratsmehrheit und können sich bei einer anderen Entscheidung zugunsten der Gemeinde verringern. Zudem sind die Zahlen – da es sich in vielen Bereichen um Schätzungen handelt – nicht zu 100 % belastbar. Gleichwohl kann an dieser Stelle festgestellt werden, dass bei der Gemeinde in den nächsten Jahren Investitionen anstehen, die nicht mehr aus dem Bestand finanziert werden können, sondern Kreditaufnahmen in nicht unerheblicher Höhe benötigen.

Ich möchte im Folgenden nur auf die Investitionskosten eingehen, die von der Ratsmehrheit angeblich zur Stützung des Schulstandortes Möhnesee gefordert werden. Dabei handelt es sich um den Neubau eines Hallenschwimmbades und des sog. Annexgebäudes mit der erforderlichen Infrastruktur. Hierdurch entstehen in etwa folgende Kosten:


Hallenschwimmbad               3,65 Millionen €
Offene Ganztagschule           1,00 Millionen €
Gymnastikhalle, Kita, Mensa  2,50 Millionen €
Parkplatz, Zufahrt                 0,64 Millionen €
Gesamtsumme                      7,79 Millionen €

Nicht außer acht lassen darf man allerdings die Kosten, die durch die Verlagerung der Vereinsnutzungen entweder als Aufstockung auf den ALDI oder im Rahmen des Erwerbs der ehemaligen Netto-Marktes anfallen. Hierbei handelt es sich um einen weiteren Betrag von rund 1,32 Millionen Euro. Es ergibt sich somit eine Gesamtsumme von rund 9,11 Millionen Euro.

Dabei sind die üblichen Kostensteigerungen bei öffentlichen Baumaß-nahmen noch gar nicht berücksichtigt.

Bei einer kleinen Lösung unter Einbeziehung des Haus des Gastes sieht die Berechnung ganz anders aus.


Modernisierung und Umbau HdG      0,65 Millionen €
Offene Ganztagschule als Anbau an
die Grundschule                              1,00 Millionen €
Hallenbad                                       3,65 Millionen €
Kindergarten                                    1,00 Millionen €
Gesamtsumme                                6,30 Millionen €

Allein diese Berechnung weist eine Differenz zugunsten der Gemeinde in Höhe von fast 3 Millionen € aus. Und – der Sachwert Haus des Gastes in Höhe von mindestens 2,2 Millionen € bliebe erhalten.

Hinzu kommt, dass die Sekundarschule in Möhnesee im Bestand extrem gefährdet ist. Die Schülerzahlen aus der Gemeinde Möhnesee erlauben keine Dreizügigkeit, die aber Voraussetzung für den Bestand dieser Schulform ist. Leider nützen hier auch Überlegungen aus der Politik zum Erhalt der Schule nichts – hier stimmen die Eltern mit den Füßen ab. Und da ist der Trend eindeutig – die Eltern wollen einen Schulabschluss für ihre Kinder, der an einer Sekundarschule nicht zu erreichen ist (Abitur). Anders ist es nicht zu erklären, dass für das nächste Schuljahr gerade einmal 34 Kinder aus der Gemeinde Möhnesee bis zum 14.02. an der Sekundarschule angemeldet wurden.

Damit setzt sich im Übrigen ein Trend fort, der bereits im laufenden und dem vorherigen Schuljahr zu erkennen war. Dort lagen die Anmeldezahlen ebenfalls deutlich unter 75 Kindern – also ebenfalls unterhalb der Dreizügigkeit. Eine signifikante Erhöhung der Anmeldezahlen ist leider nicht zu erwarten, so dass die Mindestgröße nach § 82 Abs. 5 SchulG NW wahrscheinlich dauerhaft nicht erreicht wird.

Es macht daher wenig Sinn, mit Millionenaufwand neue Räumlichkeiten zu schaffen, wenn ich für vergleichbar kleines Geld die gleichen Nutzungen ermöglichen und zudem noch dem Willen der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger nachkommen kann und das HdG erhalte.

Übrigens könnten mit einem anderen Standort für das Hallenbad und einem mehr auf den Tourismus ausgerichteten Nutzungskonzept auch steuerliche Synergieeffekt genutzt werden, die neben einer sofortigen Ersparnis von ca. 500.000 € auch in Zukunft Einnahmen generieren würden und das Schlechtwetterangebot der Gemeinde deutlich erhöhen würde. Mehr Gäste am See insbesondere außerhalb der Ferien würden übrigens auch den Einzelhandel beleben – wahrscheinlich mehr als vergrößerte Discounter und Vollsortimenter.

Die Meinung unserer Einzelhändler, ALDI gehöre möglichst nah an den Pankratiusplatz, ist nicht nachvollziehbar. Die immer wieder angeführten Argumente der Fußläufigkeit entsprechen weder den Aussagen von ALDI selbst noch der schriftlichen Stellungnahme der IHK. Ich zitiere: „Hier bietet sich aus unserer Sicht (also der Sicht der IHK) der unmittelbar an den bisherigen Aldi/Kaufpark-Standort angrenzende Bereich „Giesen Hof“ (gemeint ist Giesen Wiese) an.“ Als Alternative schlägt die IHK vor: „Alternativ würde sich aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Pankratiusplatz auch der Bereich der ehemaligen Touristinformation eignen, soweit hier eine ausreichende Flächengröße vorhanden ist.“

Also: Kein Wort von einem Abriss des HdG. Übrigens hat auch der Landschaftsverband inzwischen das Gebäude als erhaltenswerte Bausubstanz eingestuft. Auch wenn diese Einstufung nicht verbindlich ist, dürfte es im Hinblick auf § 90 Abs. 3 GO dadurch noch schwerer werden, die Wertlosigkeit des Gebäudes zu begründen, zumal der gleiche Landschaftsverband die Bausubstanz als gut eingestuft hat; Übrigens in Übereinstimmung mit dem Architekten, der sich bereits Gedanken zur Modernisierung des Gebäudes gemacht hat.

Nur ein Hinweis am Rande: Schauen sie doch einmal nach Bad Sassendorf – eine Gemeinde, die von der Altersstruktur gar nicht so weit von uns entfernt ist. Dort befinden sich die großen Märkte mit ausdrücklicher Billigung der IHK am Ortsrand und nicht im inneren Bereich. Dort dominieren kleinere Läden, die zum Bummeln einladen – wer bummelt schon gerne durch ALDI; das Einkaufserlebnis ist dort sicherlich nur sehr eingeschränkt.

Auch einige andere Argumente sind kaum nachvollziehbar. So wurde behauptet eine entsprechende Ansiedlung in der Nähe des Pankratiusplatzes entspreche auch den Zielen der Raumordnung nach dem gültigen Landesentwicklungsplan. Hier wird völlig übersehen, dass das Gutachten von Junker + Kruse eigentlich nur die Verträglich der Verkaufsflächenerweiterung mit dem LEP abklären sollte. Als Grundzentrum ist die Gemeinde Möhnesee nicht frei in der Größe der Märkte so dass negative Auswirkungen auf das Umland ausgeschlossen werden müssen. Im Einzelhandelserlass des Landes NW wird übrigens auch die fußläufigen Erschließung von Lebensmittelmärkten thematisiert. Dort heißt es:

„Es ist davon auszugehen, dass die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs – v. a. mit Lebensmitteln, Getränken sowie Gesundheits- und Drogerieartikeln – i. d. R. noch in einer Gehzeit von 10 Minuten möglich sein soll. Dies entspricht in etwa einer fußläufigen Entfernung von 700 – 1.000 m.“

Völlig irreführend ist auch der Hinweis auf die verkehrliche Anbindung. Der Gutachter hat tatsächlich ausgeführt, dass die zusätzliche Verkehrsbelastung durch die Kürbiker Straße aufgefangen werden kann. Er hat aber auch gesagt, dass dann die dort befindlichen Verkehrsberuhigungelemente zurückgebaut werden müssten. Diese sind aber ebenso wie das städtebauliche Entwicklungskonzept – das in mehreren Bürgerversammlungen unter Beteiligung der Schulen erarbeitet worden ist – Bestandteil der Förderung im Rahmen der Regionale. Es ist damit nicht auszuschließen, dass wir einen Teil der Förderung anschließend zurückzahlen müssen.

Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen, dass

•Die Absicht der Ratsmehrheit darauf gerichtet ist, das Haus des Gastes leer zu ziehen und damit auf Sicht gesehen überflüssig zu machen.
•Diese Absicht die Gemeinde in einem erheblichen Maße finanziell belastet und nach unserer Einschätzung auch die personellen Ressourcen der Gemeinde übersteigt.
•Die für den Betrieb der Sekundarschule notwendige Mensa problemlos nach Umbauarbeiten im Haus des Gastes untergebracht werden kann.
•Die Erweiterung der offenen Ganztagschule am bestehenden Grundschulgebäude zweckmäßig und kostengünstig ist.
•Die Erstellung eines neuen Kindergartens im Westen von Körbecke erfolgen muss, da dort die neuen Baugebiet ausgewi
esen werden (Kurze Beine – kurze Wege).
•Die Vereine und sonstigen Nutzer des Gästehauses um den Erhalt dieses Gebäudes kämpfen werden – und die SPD-Fraktion wird sie dabei unterstützen.