Dirk Presch geht in den Ruhestand – und zieht im Interview Bilanz

Sozialdemokrat bleibt er, aber als Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Soest geht Dirk Presch mit dem letzten Tag des Februars in den Ruhestand. Bild: Niggemeier

Kreis Soest – Strippenzieher – das wäre für ihn sicher keine Beschreibung seiner Arbeit, die er als ehrenrührig empfinden würde – schließlich hat Dirk Presch als Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Soest über 20 Jahre lang mit kühlem Kopf organisiert und Netzwerke geknüpft und genutzt.

Sozi sein, das war dem in Bönen geborenen und bis heute auch dort wohnenden gelernten Elektriker, der während seiner Ausbildung auch die harte Maloche unter Tage auf der Zeche Königsborn III/IV kennenlernte, aber auch immer eine Herzensangelegenheit – und wird es bleiben.

So richtig ruhig wird der Ruhestand, in den Presch am Mittwoch gehen wird, denn wohl auch nicht werden. Im Gespräch mit Achim Kienbaum zog der 58-Jährige eine Bilanz seiner Jahre in Soest – und äußerte sich dabei auch zu den Turbulenzen in der Führungsspitze der Bundespartei in den vergangenen Wochen.

 

Im Fokus des öffentlichen Interesses steht ja meistens die Bundes- und Landespolitik, und da sieht es für die SPD mehr als mau aus. Korrespondiert das mit der Situation der Partei im Kreis?

Dirk Presch: Für eine Antwort empfehle ich einen Blick auf den letzten Sonntag nach Arnsberg, wo ich ja durch die Betreuung des Unterbezirks Hochsauerland auch eingebunden bin. Dort hat die SPD in einer CDU-Hochburg die Bürgermeisterwahl gewonnen. Das zeigt mir, dass die Wähler sehr wohl unterscheiden zwischen kommunaler Ebene und dem Bund.

Was waren in Ihrer Zeit als Geschäftsführer im Soester Unterbezirk die schönsten Erfolge – und was waren die bittersten Niederlage?

Presch: Was die schönen Momente betrifft, sticht einer heraus: Das war die Bundestagswahl 1998, als wir entgegen aller Prognosen den Wahlkreis Soest direkt gewonnen haben. Damals gab es so genannte Kipp-Wahlkreise, in denen das Wahlergebnis unsicher war und wo die Parteien daher besonders aktiv wurden – zu denen gehörten wir eigentlich gar nicht, weil hier der Vorsprung der CDU viel zu groß schien. Aber dann warteten wir nach dem Schließen der Wahllokale im Kreishaus auf das Ergebnis, und die Sensation wurde immer wahrscheinlicher. Als dann tatsächlich klar war, dass Eike Hovermann den Wahlkreis für die SPD gegen den haushohen Favoriten von der CDU gewonnen hatte, war das ein echter Gänsehaut-Moment. Es hat natürlich in den Jahren auch eine ganze Reihe von Enttäuschungen gegeben, aber keine davon hatte eine auch nur annähernd ähnliche emotionale Qualität für mich wie der grandiose Wahlsieg 1998.

 

 

Allen Parteien fällt es schwer, junge Leute zu begeistern und für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen und Stammwähler zu halten. Droht dem Parteiensystem wie wir es kennen das Aussterben?

Presch: Die jüngsten Auseinandersetzungen über den Kurs der Partei und vorher schon die Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten haben uns so viel Zulauf beschert wie nie zuvor. Ein großer Teil dieser neuen Mitglieder sind junge Leute, die auch aktiv mitarbeiten wollen. Aber natürlich hat sich aus einer Vielzahl von Gründen in allen gesellschaftlichen Bereichen etwas verändert, ich denke da auch an Gewerkschaften oder Vereine. Diesen Veränderungen können sich die Parteien nicht verweigern, aber ich will trotzdem darauf verweisen, dass das deutsche Parteiensystem nicht mit dem in Ländern wie England, Frankreich oder Italien vergleichbar ist. Gerade auch was die SPD betrifft. Hier steht die Wiege der Sozialdemokratie. Aber natürlich müssen wir uns wieder mehr den Menschen zuwenden, nah an ihrem Alltag dran sein und sie Ernst nehmen. Die beste Kampagne um neue Mitglieder ist nie so gut wie ernsthafte Arbeit vor Ort.

 

 

Mehr als zwei Jahrzehnte haben Sie im Soester Unterbezirk der SPD die Strippen im Hintergrund gezogen. Hat es Sie nie auf die größere politische Bühne gedrängt?

Presch: Ich hätte mir das zwar zugetraut und es gab immer wieder auch Angebote, mehr in die erste Reihe zu gehen, aber ich wollte so einen Weg nie einschlagen. Das hat sicher auch damit zu tun gehabt, dass ich immer Genossen um mich herum hatte, mit denen die Arbeit tatsächlich Spaß gemacht hat und von denen ich eine Menge Wertschätzung bekommen habe. Aber vor allem war diese Arbeit hier wirklich meins, das, was ich am besten kann. Meine Stärke ist das Interesse an und die Arbeit mit Menschen.

 

 

Einmal Sozi, immer Sozi – das gilt längst nicht mehr für alle Mitglieder der SPD. Die jüngste Mitgliederwerbung der Jusos ging ja eher in Richtung „Genosse to go“. Wie weh tut Ihnen eine solche Entwicklung?

Presch: Für die von Ihnen erwähnte Kampagne haben sich die Jusos inzwischen entschuldigt, und ich bin überzeugt, dass sich viele der neuen Mitglieder dauerhaft bei uns engagieren wollen. Aber in der Tat hat sich auch in dieser Hinsicht einiges verändert. Ich bin mit 15 in die SPD eingetreten und glaube immer noch daran, dass man Sozialdemokrat ein Leben lang ist. Ich bin in dieser Partei nicht wegen politischer Vorbilder oder Beschlüsse, sondern wegen der Werte, die sie für mich verkörpert: Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität. Dafür sind Genossen gestorben. Die SPD hat so vieles überstanden, da bin ich sehr optimistisch, dass wir auch die jüngsten Herausforderungen meistern, wenn wir uns auf unsere Werte besinnen. Bei manch berechtigter Kritik an Andrea Nahles muss ich gestehen, dass sie mir imponiert hat, als sie auf dem letzten Parteitag gesagt hat, dass wir mit der GroKo doch die Partei nicht aufgeben.

 

 

Die innerparteilichen Diskussionen um den Eintritt in eine Große Koalition zeigen einen Vertrauensverlust vieler Mitglieder in die Führung. Wie weit haben sich Basis und Spitze voneinander entfernt?

Presch: Eine gewisse Distanz hat es immer schon gegeben. Ein Beispiel: Willy Brandt oder Helmut Schmidt hätten keine Mitglieder befragt, die hätten selber entschieden. Aber das entschuldigt nicht den Dilettantismus, der leider zuletzt in der Führung zu beobachten war. Einiges hat aber auch mit der maßlosen Indiskretionen von Spitzenpolitikern aus eigentlich internen Gesprächen zu tun.

 

 

Sie gehen jetzt in den Ruhestand. Wie wird es weitergehen mit der Geschäftsführung des SPD-Unterbezirks?

Presch: Mein Nachfolger wird zeitnah vorgestellt, ich denke, da ist eine sehr gute Lösung gefunden worden. Er wird allerdings sowohl für den Unterbezirk Soest, als auch den Hochsauerlandkreis zuständig sein.

 

Quelle: Soester Anzeiger, 27.02.2018, Achim Kienbaum